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Indien, das zweitgrößte Land der Erde (gemessen an seiner Einwohnerzahl), das Land in dem sich Mittelalter und Zukunft mit Leichtigkeit die Hand reichen, das Land der Mythen, das Land einer der ältesten Kulturen der Welt, unglaublicher Vielfalt, ist auch ein Land interessanter, sehenswerter Architektur.

 

    Denn die wechselvolle Geschichte des Landes spiegelt sich nicht zuletzt in seiner Baukunst wider. Jede Periode indischer Geschichte hat Ihren eigenen  baulichen Stil, mehr als das, Indiens Bauten spiegeln die Beziehung des Landes zu seiner Umwelt wider.

    Charles Correa, bekanntester lebender indischer Architekt, bezeichnet diese Beziehungen zwischen Religion, Philosophie, und Kunst (auch Baukunst) zu den Mythen ihrer jeweiligen Epoche als Vistara. Er sieht die Geschichte indischer Architektur als Abfolge solcher Vistaras.

    Eine Architektenreise nach Indien will diesen Beziehungen, diesen Vistaras, auf den Grund gehen, will unterschiedliche Perioden und Aspekte indischer Architektur beleuchten, diskutieren.

    Dabei muss sich eine solche Reise wegen der Größe des Landes zwangsläufig geographisch beschränken. Unsere Reise will architektonische Höhepunkte im Norden zugänglich machen. Diese Beschränkung mag anfechtbar sein, gibt es doch auch in südlicheren Teilen Indiens Orte von außerordentlichem architektonischen Interesse, man denke nur an Pondicherry (mit seinem alternativen Siedlungsprojekt Auroville) oder an Bombay (mit seiner Art deco-Architektur).

    Dennoch ist die örtliche Auswahl nicht willkürlich gewählt. Der indische Norden hält eine Vielzahl von Orten architektonischen Interesses bereit, die die unterschiedlichen Perioden indischer (Bau-) Geschichte hervorragend widerspiegeln.

Dabei ist die Vereinnahmung unterschiedlicher fremder architektonischer Stile und ihre Adaption für Indien, schließlich ihr Aufgehen in indischer Kultur typisch für dieses Land und letztendlich ein urindisches Phänomen.

     

    Unsere Rundreise beginnt in Delhi, der Verwaltungshauptstadt Indiens. Die Lage unserer Unterkunft lässt das Sammeln erster Eindrücke indischen Stadtlebens zu Fuß zu. Unterschiedlichste Perioden indischer Geschichte haben hier Ihren baulichen Ausdruck gefunden.

    Der erste gemeinsame Ausflug widmet sich der Architektur der Mogulherrscher. Diese brachten mit dem Islam neue mythische Werte ins Land. Sie ließen einen Austausch ihrer Kultur mit den vorhandenen Kulturen zu, nichtmuslimische Elemente und Ideen wurden aufgenommen. Die islamische Kunst und Architektur des indischen Subkontinents sind daher einzigartig.

    “Durch erhabene Gebäude macht sich der König einen guten Namen…. Das heißt, der Wert ihrer Gebäude lässt auf die Größe der Männer schließen und die Erhabenheit der Bauwerke auf den Zustand des königlichen Hauses“ schreibt Akbars (Großmogul seit 1556) Geschichtsschreiber Qandahari im ausgehenden 16.Jh.

    Wir besichtigen die wunderbaren Kalligraphien am Qutb Minar, einem Turm, der zur Erinnerung an den Einzug des Islam in Indien errichtet wurde. Das Grab des Humayun (Großmogul seit 1530) zeigt timuridische Bautradition, umgesetzt in lokalem Baumaterial (vor allem rotem Sandstein), sein Garten spiegelt das Prinzip des Char Bagh, des vierfachen Gartens um zwei sich kreuzende Achsen wider.

    Ein Besuch des Roten Forts, der Festung Shah Jahans (des vorletzten Mogulherrschers, seit 1628), damals einer Stadt in der Stadt mit Basaren und Werkstätten zur Versorgung des Hofes, der Jamah Masjid, der größten Moschee in Indien, mit anschließendem Gang durch Old Delhi runden die Betrachtung der islamischen Architektur in Delhi ab. Der Niedergang der Moguldynastie machte den Weg frei für die Engländer, das Land zu regieren. Auch die koloniale Architektur wird heute als indisches Erbe angesehen; die Leistungen der britischen Architekten im Städtebau sind anerkannt.

    Wir besichtigen eines der ambitioniertesten Projekte britischer Kolonialarchitektur, die Anlage New Delhis, des Regierungsviertels. Edwin Lutyens, Engländer mit deutschen Vorfahren, plante die Anlage zusammen mit seinem Kollegen und Freund Herbert Baker, nachdem der Regierungssitz von Kalkutta nach Delhi verlegt werden sollte.

Mit der Unabhängigkeit Indiens wurde der Grundstein für eine indische Moderne in der Architektur gelegt. Sicher ist die Planung von Chandigarh, der Verwaltungshauptstadt der Bundesstaaten Punjab und Himachal Pradesh, durch Le Corbusier ein bedeutender erster Schritt dazu. Junge indische Architekten begannen die Meister der Moderne in Europa und Amerika zu studieren. Es entwickelte sich eine indische Variante des internationalen Stils. Vor allem die Schattenkonstruktionen vor den Fassaden und die Verwendung lokaler Baustoffe kennzeichneten von Anfang an diese Architektur nach aussen. Beton als leicht zu formender Baustoff erwies sich zudem als angenehmer Klimapuffer. Billige Arbeitskräfte lassen das Schalen aufwendiger Bauformen zu. Noch heute verlagern sich ganze

    Dorfgemeinschaften zum Einsatz auf Baustellen in die großen Städte.

    Während beispielsweise in Bombay die Architektur sich noch an Vorbildern des Art deco orientierte, in Bangalore der Kolonialstil fortentwickelt wurde, setzte sich im Norden Indiens früh die Moderne durch. Die Architekturszene war schon damals überschaubar. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit kommt in Indien weniger als ein Architekt auf 1 Mio. Einwohner (zum gleichen Zeitpunkt ist es in Großbritannien ein Architekt auf 4000 Einwohner).

    Delhi bietet zahlreiche interessante Gebäude der indischen Variante des internationalen Stils, sowie der heutigen Zeit.

    Es sind die oben angerissenen Erstellungsbedingungen, die die nachkolonialen Bauten prägen, aber auch ihre klare Ausrichtung auf ihren Zweck, ohne unnötiges schmückendes Beiwerk, aber sehr häufig mit klarer architektonischer Aussage, spannenden räumlichen Beziehungen, klimatischer Ausgewogenheit durch natürliche Luftströmungen und deutlichem Spiel von Licht und Schatten. Ein Bau, der diese Bedingungen deutlich widerspiegelt, ist der Ausstellungspavillon des Architekten Raj Rewal auf dem Gelände der internationalen Handelsmesse von 1972. Uns ist kein anderes räumliches Stabwerk dieser Größe bekannt, das in Ortbetonbauweise hergestellt wurde: modern und zukunftweisend in seiner architektonischen Aussage und doch konventionell in seiner Konstruktion.

Wir werden uns Wohnbauten zeitgenössischer Architekten ansehen und die Probleme des Wohnens in indischen Metropolen diskutieren. Öffentliche Bauten und Gedenkstätten, beispielsweise der Nehru Pavillon des Architekten Raj Rewal (von 1971) oder die Mahatma Gandhi Gedenkstätte von Vanu G. Butha (1956) stehen u.a. auf dem Programm.

    Ein Besuch in einem indischen Architekturbüro mit der Möglichkeit, den Architektenalltag in Indien zu erfahren und aktuelle Probleme zu diskutieren, rundet unseren Aufenthalt in Delhi ab.

    Die zweite Station unserer Reise, die Stadt Chandigarh, führt uns zurück zu den Wurzeln der Architekturmoderne in Indien. Im Jahr 1950 bekam der Schweizer Architekt Le Corbusier mit seinem Team von Nehru den Auftrag, den Verwaltungssitz der Bundesstaaten Punjab und Himachal Pradesh zu planen; eine Stadt als Ausdruck eines neuen, eines säkularen Indien.

    Le Corbusier selbst entwarf den Masterplan für die Stadt und die Gebäude des Kapitols. Zusammen mit Brasilia ist Chandigarh eines der beiden großen Städtebauprojekte des 20.Jahrhunderts, die in eine unerschlossene Landschaft gesetzt wurden. Es ist das Ergebnis jahrzehntelanger Auseinandersetzung Le Corbusiers mit städtebaulichen Fragen. Lang vorher entwickelte Prinzipien städtebaulicher Hierarchien konnten hier in der Raumplanung und im Straßenbau umgesetzt werden. Die Stadt selbst wurde in Sektoren eingeteilt, die die sozialen Klassen, aus denen sich die Stadtbevölkerung zusammensetzt, repräsentieren sollen. Auch die Wohnbehausungen wurden kategorisiert. Baulicher Höhepunkt der Stadt sind die Verwaltungsgebäude, der Gouverneurspalast, das Parlament, die Regierung und der Gerichtshof.

    Unser Besuch in Chandigarh wird uns Zeit geben, nicht nur die phantastischen skulpturalen Verwaltungsgebäude mit ihren Schattenkonstruktionen auf uns wirken zu lassen, sondern auch die Problematik einer „aus dem Boden gestampften“ Stadt zu diskutieren. Heute, 50 Jahre nach Entwurf des städtebaulichen Masterplanes, lassen sich die Ideen einer durchorganisierten Stadt an der Realität messen, in einem Land, dessen Bevölkerung rapide wächst und dessen Entwicklung sich nur sehr schwer in vorbestimmte Bahnen lenken lässt.

    Die Besichtigung von Bauten nachcorbusianischer Zeit (beispielsweise des Gymnasiums von Jeet Lal Malhotra) runden unseren Besuch in Chandigarh ab.

Wir verlassen die Stadt und begeben uns auf eine Route, auf der die moderne Architektur mehr und mehr durch klassische touristische Reiseziele abgelöst wird. In Agra besichtigen wir mit dem Taj Mahal, dem Grabmahl der Lieblingsfrau des Mogulherrschers Shah Jahan (seit 1628), eines der berühmtesten Bauwerke der Welt.

    Das Rote Fort ist eine Palastanlage, erbaut auf den Gründungen einer alten Lehmfestung unter Akbar, erweitert unter Shah Jahan; ebenfalls größtenteils aus Rotem Sandstein aber mit prächtigeren Torbauten als das gleichnamige Fort in Delhi.

    Für das Mughal Sheraton Hotel, einen Bau aus den späten 1970er Jahren wurden die Architekten Ranjit Sabikhi und Ajoy Choudhoury (Delhi) mit dem Aga Khan-Preis ausgezeichnet, einem der wichtigsten Architekturpreise der islamischen Welt.

    Fathepur Sikri, die Königsstadt vor den Toren Agras, ebenfalls unter Akbar angelegt, wird auf dem Weg nach Jaipur besichtigt. Fathepur Sikri hat von allen Zeugnissen der Mogularchitektur das größte Forscherinteresse hervorgerufen. Auffallend ist in jedem Fall die gestaffelte Anordnung der zahlreichen Gebäude. Der Baustil zitiert Gebäude des Gujarat, womit der kurz zuvor erfolgte Anschluss des Gujarat an das Mogulreich seinen baulichen Ausdruck findet.

    Der zweite Teil unserer Reise führt nach Rajasthan, das Land der Rajputen. Hier boten die lokalen Fürstengeschlechter den Mogulkaisern nicht selten lang anhaltenden, erbitterten Widerstand, ehe sie sich der politischen Macht der moslemischen Herrscher beugten oder ihrem politischen Schutz anvertrauten. Die legendenumwobenen Städte und Forts in diesem Teil des nordwestlichen Indien üben gerade durch das Zusammenwirken islamischer und hinduistischer Baukunst einen besonderen Reiz aus. So bietet sich gerade dieser Synkretismus von Bautraditionen als architektonischer Fokus an. Im augenfälligen Gegensatz zur städtischen Kultur stehen karge, trockene, ja wüstenähnliche Regionen, in denen die meisten Menschen auf dem Land leben und eine Vielfalt von Kulturtraditionen hervorgebracht haben.

Jaipur, die Hauptstadt Rajasthans ist in der ersten Hälfte des 18. Jh’s von Sawai Jai Singh erbaut worden. Der König war einer der bedeutenden Astrologen seiner Zeit und ließ seine Stadt nach alten hinduistischen städtebaulichen Prinzipien in einem gitterförmigen Raster anlegen, in dessen Mitte der Palastbezirk liegt. Mit dem angrenzenden Jantar Mantar, einem

    Observatorium, dessen astronomische Geräte als Architekturen in Stein erbaut sind, erhielt der Palast später unter Maharaja Jai Singh II. eine Erweiterung, die der Altstadt einen futuristischen Akzent verleiht.

    Wir sehen den Palast der Winde und besichtigen den weitläufigen Komplex des Amber Fort. Die Zitadelle der alten Hauptstadt liegt auf einem Hügelzug ausserhalb der Stadt und birgt spiegelgeschmückte Interieurs und Gärten auf versetzten Ebenen.

    Unsere Fahrt führt uns über Khimsar, mit seinem zu einem Hotel umgebauten Palast, wo wir Zeit für ein erstes Ausspannen und Reflektieren finden, weiter in die Wüstenstadt Jaisalmer. Gleich einem Wüstenschiff erhebt sich die innerhalb der ummauerten Festung gelegene Altstadt aus der Ebene, durch die früher die Karawanenstrasse von Kandhar nach Zentralasien führte. Die Transportwege machten die Stadt zu einem wichtigen Handels- und Warenumschlagsplatz  für u.a. Seide und Gewürze. An jene Zeit erinnern die alten Havelis, herrschaftliche Kaufmannspaläste, deren kunstvoll behauene Sandsteinfassaden und Erker einem filigranen Schnitzwerk aus Sandelholz gleichen. Einen ähnlich Eindruck vermitteln die Tempel der Jainreligion. Auf einem Ausflug in die nähere Umgebung Jaisalmers erhalten wir einen Eindruck vom Leben der Menschen auf dem Land.

    Eine lange und nicht minder interessante Busstrecke führt uns von Jaisalmer weiter nach Jodhpur. Die Stadt mit der vielleicht großartigsten Festungsanlage Rajasthans gliedert sich in drei Teile. Da sind das Mehranghar Fort, mittelalterliches Machtzenrum der Herrscher von Marwar, zum anderen die Kolonialstadt, der die Bauten im indosarazenischen Stil und vor allem der mächtige Umaid Bhawan Palast ihren Charakter verleihen und schließlich die moderne Stadt als dritter Bereich.

    Jodhpur hat auch einige interessante zeitgenössische Universitätsbauten des Architekten Uttam Jain aus den späten siebziger, frühen achtziger Jahren (des 20. Jahrhunderts) zu bieten. Die in rauhem Naturstein verkleideten Bauten mit ihren klaren, solitären Formen harmonieren einzigartig mit dem wüstenartigen Umfeld des Campus.

    Ranakpur, mit seiner phantastischen Tempelanlage, erlaubt uns Einblicke in die Religion der Jainas, die auf strikter Gewaltlosigkeit und Respekt vor auch dem kleinsten Lebewesen gründet.

Am Ende der zweiten Woche erreichen wir Udaipur, „die Stadt der Paläste“. Wenige Städte Indiens genießen diese von Bergkketten und Hügelzügen geschützte Lage am Piccolasee, der zu einer der berühmten ´locations´ eines Hotels wurde. Die Stadt wurde zur Zeit der europäischen Renaissance von Maharana Udai Singh als Hauptstadt des Mewar-Reichs gegründet. Auch hier wieder ein weitverzweigter Palastkomplex, um dessen histori-sche Mauern das Leben seit Jahrhunderten pulsiert.

     

    Für die meisten Reiseteilnehmer wird der Ausklang am Piccolasee das Ende der Reise bedeuten. Für die ganz besonders an der modernen Architektur in Indien interessierten wird (bei genügender Teilnehmerzahl) eine fakultative Verlängerung in Ahmedabad angeboten. Ahmedabad ist neben Delhi das wohl wichtigste Zentrum moderner Architektur in Indien. Hier baute Le Corbusier zwei Villen und das Haus der Wirtschaftsvereinigung der Baumwollpflanzer. Louis Kahns Gebäude der Wirtschaftsfakultät zeigen die indische Variante der Architektur dieses großen Baumeisters. Balkrishna Doshi, bekannter indischer Architekt der Moderne und Schüler Le Corbusiers hat in Ahmedabad zahlreiche Bauten geplant.

    In Ahmedabad. kehren wir gewissermaßen zu den Wurzeln der modernen Architektur in Indien zurück.

Die Welt Indiens erleben, sei es mit den Augen des Architekten oder jedes anderen Besuchers, greifbar nahe und unbegreifbar zugleich, bietet Chance und Herausforderung, um es mit den Worten Nehrus auszudrücken, das Land mit dem Herzen zu verstehen.

 

Ihre Reiseleitung

Rainer Wetzels, Architekt

Thomas Staender

München, Mainburg im Oktober 2004